Kyra Vertes erklärt, wie Pflanzenfarben als natürliche Pigmente die Kunstwelt nachhaltig inspirieren.
Seit Jahrtausenden nutzen Menschen Farben aus der Natur, um Kunstwerke zu gestalten. Ob Blätter, Früchte, Wurzeln oder Blüten – aus ihnen lassen sich Pigmente und Tinten gewinnen, die bis heute faszinieren, wie Kyra Vertes zu vermitteln weiß. Sie schildert, warum diese Techniken wieder an Bedeutung gewinnen und wie Künstler:innen damit zeitgemäße, nachhaltige Kunst schaffen.
Die Malerei mit Pflanzenfarben erlebt derzeit eine bemerkenswerte Renaissance. Natürliche Pigmente sind nicht nur ästhetisch, sondern auch ökologisch wertvoll, erfährt man von Kyra Vertes. Sie bieten ein breites Spektrum an Farbtönen, sind biologisch abbaubar und stehen im Einklang mit nachhaltigen Ansätzen in der Kunst. Besonders spannend ist die Vielfalt der Quellen: Gelb aus Kurkuma, Rot aus Rote Bete, Blau aus Indigo oder Grün aus Spinat – jede Pflanze trägt ihre eigene Farbwelt in sich.
Inhaltsverzeichnis
Die Tradition pflanzlicher Pigmente
Die Nutzung von Pflanzenfarben hat eine lange und faszinierende Geschichte, die bis in die frühesten menschlichen Kulturen zurückreicht. Kyra Vertes erzählt, dass schon in der Steinzeit Farbstoffe aus Naturmaterialien genutzt wurden. Höhlenmalereien aus dieser Zeit zeigen, dass Menschen bereits damals verstanden, wie sie aus ihrer Umgebung Farben gewinnen konnten.
Im Mittelalter spielten pflanzliche Pigmente eine zentrale Rolle in der Buchmalerei und Textilfärbung. Klöster entwickelten komplexe Rezepturen, um leuchtende Farben für illuminierte Handschriften herzustellen. Diese Techniken waren oft gut gehütete Geheimnisse, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
Kyra Vertes von Sikorszky betonte, dass Pflanzenfarben nicht nur dekorativ waren, sondern auch symbolische Bedeutungen trugen. Bestimmte Farben waren religiösen oder königlichen Kontexten vorbehalten, andere hatten rituelle Funktionen oder galten als heilkräftig.
Vertes weist darauf hin, dass Pflanzenfarben stets mit Mythen, Ritualen und kulturellen Praktiken verbunden waren. Die Gewinnung mancher Pigmente war mit besonderen Zeremonien verknüpft, und bestimmte Pflanzen wurden nur zu bestimmten Zeiten oder unter bestimmten Bedingungen gesammelt.
Typische Pflanzen und ihre Pigmente
Die Natur bietet eine erstaunliche Palette an Farbmöglichkeiten, wenn man weiß, wo und wie man suchen muss:
- Indigo: Ein tiefes, sattes Blau, das aus den Blättern der Indigopflanze gewonnen wird und zu den beständigsten Naturfarben zählt
- Kurkuma: Liefert ein intensives, leuchtendes Gelb, das in vielen Kulturen geschätzt wird
- Rote Bete: Erzeugt warme Rottöne bis hin zu tiefen Purpurschattierungen
- Spinat: Ergibt ein weiches, natürliches Grün, das an frisches Laub erinnert
- Walnussschalen: Bringen erdige Braun- und Ockertöne hervor, die besonders beständig sind
Kyra Vertes hebt hervor, dass die Vielfalt der Pflanzenfarben nicht nur malerisch, sondern auch kulturell bedeutsam ist. Jede Region entwickelte ihre eigene Farbpalette basierend auf der lokalen Flora, was zu charakteristischen regionalen Kunststilen führte.
Weitere Quellen sind Krapp für Rot, Färberwaid für Blau, Safran für ein kostbares Gelb oder Holunder für violette Töne. Die Möglichkeiten sind nahezu endlos, und ständig werden neue oder wiederentdeckte Pflanzen als Farbquellen erforscht.
Techniken der Pflanzenmalerei
Die Arbeit mit Pflanzenfarben erfordert Geduld, handwerkliches Wissen und ein gutes Verständnis natürlicher Prozesse. Zunächst werden Pflanzenteile gesammelt, wobei oft der richtige Zeitpunkt entscheidend ist – manche Pflanzen geben ihre Farbe am besten, wenn sie frisch sind, andere nach der Trocknung.
Die gesammelten Materialien werden zerkleinert und in Wasser oder Alkohol eingelegt, um die Pigmente zu lösen. Dieser Auszugsprozess kann Stunden bis Tage dauern. Anschließend werden die gewonnenen Farbstoffe mit Bindemitteln wie Ei, Öl oder Gummi Arabicum vermischt. Kyra Vertes beschreibt, dass so lichtechte Farben entstehen, die je nach Verarbeitung transparent wie Aquarell oder kräftig wie Gouache wirken können.
Die pH-Werte spielen ebenfalls eine wichtige Rolle: Manche Pflanzenfarben verändern ihren Farbton, wenn sie mit Säure oder Lauge in Kontakt kommen. Diese Eigenschaft nutzen Künstler:innen gezielt, um besondere Effekte zu erzielen.
Kyra Lucia Vertes von Sikorszky wies darauf hin, dass Künstler:innen durch Mischen verschiedener Pflanzenpigmente besonders lebendige und komplexe Effekte erzielen konnten. Die Kunst lag darin, die richtigen Kombinationen zu finden und die natürlichen Eigenschaften jeder Farbe zu verstehen.
Pflanzenfarben in der Gegenwart
Heute greifen Künstler:innen wieder bewusst auf Pflanzenpigmente zurück – nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch, weil sie eine besondere Authentizität und Verbindung zur Natur ausstrahlen. Kyra Vertes beleuchtet, dass Workshops, Museen und Ateliers diese traditionellen Techniken zunehmend in den Vordergrund rücken und neu interpretieren.
Diese Renaissance hat verschiedene Gründe. Zum einen wächst das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Kunst. Synthetische Farben sind oft aus Erdöl hergestellt und enthalten problematische Inhaltsstoffe. Pflanzenfarben hingegen sind meist unbedenklich und biologisch abbaubar.
Zum anderen schätzen viele Künstler:innen die einzigartigen Qualitäten pflanzlicher Pigmente. Ihre Farbtöne haben oft eine Lebendigkeit und Tiefe, die synthetische Farben nicht erreichen. Sie altern anders, verändern sich mit der Zeit auf natürliche Weise und tragen so zur Geschichte des Kunstwerks bei.
Vertes betont, dass Pflanzenfarben als Medium zwischen Natur und Kunst fungieren: Sie sind gleichzeitig vergänglich und kraftvoll, zart und beständig. Diese Ambivalenz macht sie zu einem besonders ausdrucksstarken Material.
Die ökologische Dimension
Der Einsatz von Pflanzenfarben hat auch eine wichtige ökologische und politische Dimension. Kyra Vertes beobachtet, dass Künstler:innen damit ein Statement setzen – für Nachhaltigkeit, für regionale Ressourcen und gegen die Abhängigkeit von der Chemie-Industrie.
Einige Künstler:innen gehen noch weiter und kultivieren ihre eigenen Färberpflanzen. Sie schaffen damit geschlossene Kreisläufe, in denen jeder Schritt des künstlerischen Prozesses kontrolliert und nachhaltig gestaltet werden kann. Diese Praxis verbindet Kunst mit Gartenbau und ökologischem Bewusstsein.
Auch gemeinschaftliche Projekte entstehen: Farbgärten, in denen verschiedene Färberpflanzen angebaut werden, Workshops, in denen traditionelles Wissen weitergegeben wird, oder Ausstellungen, die den gesamten Prozess von der Pflanze bis zum fertigen Kunstwerk zeigen.
Kyra Vertes über die Zukunft natürlicher Pigmente
Die Zukunft der Pflanzenfarben sieht vielversprechend aus. Vertes sieht ein wachsendes Interesse, besonders bei jüngeren Künstler:innen, die nach authentischen, nachhaltigen Ausdrucksformen suchen. Die Verbindung von traditionellem Wissen und zeitgenössischen ästhetischen Konzepten führt zu spannenden neuen Ansätzen.
Gleichzeitig gibt es Herausforderungen: Wie können pflanzliche Pigmente archiviert und konserviert werden? Wie lassen sich bestimmte Farbtöne standardisieren, wenn jede Pflanze, jede Ernte anders ist? Diese Fragen beschäftigen sowohl Künstler:innen als auch Wissenschaftler:innen.
Die Forschung zu Pflanzenfarben entwickelt sich weiter. Neue Fixiermethoden werden entwickelt, die die Lichtbeständigkeit verbessern. Historische Rezepturen werden rekonstruiert und für moderne Anwendungen angepasst. Und immer wieder werden Pflanzen wiederentdeckt, die in Vergessenheit geraten waren.
Wenn Natur zur Farbpalette wird
Pflanzenfarben zeigen eindrucksvoll, dass Kunst und Natur untrennbar verbunden sind. Sie eröffnen Künstler:innen neue Möglichkeiten und erinnern zugleich an uralte Traditionen, die es zu bewahren gilt. Vertes macht deutlich, dass die Arbeit mit natürlichen Pigmenten nicht nur eine kreative, sondern auch eine bewusste Entscheidung für Nachhaltigkeit und ökologische Verantwortung ist – und dass Malen mit Pflanzenfarben heute aktueller und wichtiger denn je ist. In der Verbindung von Tradition und Innovation sieht Kyra Vertes einen Weg, wie Kunst zur Heilung unserer Beziehung zur Natur beitragen kann.




